Kulanz trifft auf U...
 
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Kulanz trifft auf Umsatz

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Inlaystraße13
New Member
Beigetreten: Vor 9 Jahren
Beiträge: 2
Themenstarter  

Hallo!

Mich und meine Kollegen beschäftigt im Labor schon seit über 20 Jahren immer wieder ein Leidiges Thema:

Wenn ich Arbeiten auf Kulanz wiederholen muß ohne "Selbstverschulden", also sprich z.B. Patient verschluckt Arbeit, Helferin lässt sie fallen, Zahnarzt macht unterirdische Abdrücke, falscher Biss... gibt es ja leider alles zu Hauf! Kann mein Chef wirklich IMMER verlangen, dass ich die Arbeiten umsonst wiederhole, obwohl ich auf Umsatz arbeite? Müssten nicht in seiner Kalkulation solche Fälle abgedeckt sein?

Wie sieht es denn da bei der Rechtlichen Seite aus?

Wie wird das Thema in anderen Labors gehandhabt?

Hoffe auf Antworten und Meinungen!

Gruß, Inlaystraße 13


   
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Honorable Member Admin
Beigetreten: Vor 20 Jahren
Beiträge: 435
 

Das ist das Los der Einzelkämpfer. Keine Gewerkschaft also keine Tarife.
Freie Laborwahl des Zahnarztes, also keine Rechte. Rechte? Klar, dein Chef kann die Kulanz ablehnen und hat evtl. einen Kunden verloren. Du kannst die Arbeit wahrscheinlich auch ablehnen,... und dann?

Jeder versucht in dieser Gesellschaft dem anderen etwas abzuringen. Der eine mit null Respekt vor dem Anderen, der Andere mit etwas mehr. Am Ende musst auch du dich fragen wie das Gesamtergebniss am Jahresende aussieht, und dann evtl. eine Entscheidung treffen. Ich kann mir gut vorstellen wie ärgerlich das für dich ist. Die Sache mit der Umsatzbeteiligung verschiebt auch immer ein wenig das wirtschaftliche Risiko in deine Hände.


   
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Bremer
Trusted Member
Beigetreten: Vor 13 Jahren
Beiträge: 60
 

Mit Festgehalt wäre es mir egal. Als ich nach Umsatz bezahlt wurde stand ich nur für meine Fehler ein.


   
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Inlaystraße13
New Member
Beigetreten: Vor 9 Jahren
Beiträge: 2
Themenstarter  

Danke für eure Antworten!

Dann ist es also nicht unbedingt üblich, dass der Chef die Finanzielle Verantwortung einfach an uns Techniker weiter gibt? Ich frage da mir die Vergleichsmöglichkeiten fehlen (Lehre + 20 Jahre im gleichen Betrieb)

Mit Festgehalt wäre das Thema natürlich nicht so "brisant". Wird in der Branche eigentlich eher auf Festgehalt oder Umsatz gearbeitet?

Ein weiteres Problem mit dem Umsatz ist, dass wir nicht Umsatz beteiligt sind sondern auch unser Grundgehalt erst "rein arbeiten" müssen, also sprich: wenn im August z.B. zwecks Ferien mal wieder die Arbeit ausbleibt, dann entstehen bei unserem Chef "Schulden" die in besseren Monaten wieder rein gearbeitet werden müssen.

Wenn man dies Branchen Fremden erzählt halten das alle für Gesetzwidrig (was es vielleicht auch ist?) Ich möchte aber trotzdem wissen ob dies in unserer Branche übliche Vorgehensweisen sind?

Danke!


   
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Hinz-Kunz
Trusted Member
Beigetreten: Vor 11 Jahren
Beiträge: 94
 

Servus, ich bin jetzt über 25 Jahre in der Zahntechnik, in verschiedenen Laboratorien und bei verschiedenen Zahnärzten, tätig. Ich persönlich bevorzuge ein gutes Festgehalt und so wenig wie möglich Überstunden.

Bisher habe ich noch keine faire Umsatzbeteiligung erlebt. Z.B. leuchtet mir nicht ein warum man den Umsatz häufig für 12 Monate erbringen muss. In einer 3-fachen Berechnung sind Urlaubszeiten komplett und Krankheitszeiten teilweise (den Rest übernimmt die U1) eingerechnet.

Meist liegt ein durchschnittliches Technikergehalt von 2.000 Euro der 3-fach-Berechnung zu Grunde. Hier sind alle fixen Kosten wie Miete, Wasser, Strom, Arbeitsplatz usw. eingerechnet, außerdem noch etwa 25 % Lohnnebenkosten, inkl. BG, Haftpflicht(?), U1 und U2. Warum muss ein Techniker, der über 4.000 Euro verdient, auch den 3-fachen Umsatz machen? Steigt bei ihm der Wasserverbrauch oder die Miete? Die Kosten für den Arbeitsplatz? Selbst die Lohnnebenkosten fallen, durch die Höchstsatzberechnung. Okay, vielleicht steigen die Materialkosten. Das könnte allerdings daran liegen, dass er mehr Umsatz erzielt.

Was ich auch nicht verstehe: warum wird häufig der 3-fache Umsatz als Fixum genommen und die Mehrarbeit bekomme ich nur mit 25 – 30 % vergütet? Müsste ich nicht für Mehrarbeit mehr, und nicht weniger, bekommen? Alle fixen Kosten sind doch schon gedeckt. Lediglich die Lohnnebenkosten steigen, sowie geringfügig höhere Energie- und Materialkosten, aber sonst? Kann mir das jemand bitte erklären?

Btw. ich bin u.a. auch Betriebswirt.


   
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zirkonfrank
Estimable Member
Beigetreten: Vor 12 Jahren
Beiträge: 179
 

Zuerst zur Eingangsfrage: Kulanzen können steuerlich geltend gemacht werden, daher sollten sie erfasst und auch vergütet werden.

@Hinz-Kunz:

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht hast du absolut recht, jedoch gibt es immer das Henne-Ei-Problem. Nehmen wir nun die fiktiven 2.000 Festgehalten an und implizieren 6.000 Umsatz. Erreicht du jedoch 8.000 Umsatz wird das Gehalt erst - wenn überhaupt - mit Verzögerung angepasst.

Ein faires Modell mit Umsatzbeteiligung würde hier das Mehr an Umsatz vierteljährlich auszahlen. Sofern dein Umsatz dauerhaft über 10% über dem erarbeiteten Grundgehalt liegt wird letzteres angepasst. Somit entfallen die für beiden Seiten lästigen Gehaltsverhandlungen. Auch eine genaue Überwachung der produktiven Zeiten entfällt. Fleißige Mitarbeiter werden automatisch belohnt.

Der Faktor muss natürlich individuell ausgehandelt werden. Übernimmt der Mitarbeiter zeitintensive und umsatzarme KST-Arbeiten und ermöglicht so den Kollegen höhere Umsätze, liegt der Faktor bei 50%, der Keramiker eher 25%, Allrounder ca 30%.

Werden Zusatzarbeiten übernommen (ZA betreut, Bestellungen getätigt, Telefondienst...) so ist hierfür ein gewisser Anteil des Grundgehaltes vom Umsatz auszuschließen.

Ich selbst hatte lange Jahre das Glück nach solch einem Modell bezahlt zu werden und verstehe nicht, warum Umsatz so selten als faires Modell für alle Beteiligten genutzt wird. Faire Bezahlung erhöht die Motivation und damit auch das Betriebsklima. Um Mehrarbeit (Betonung auf Arbeit, nicht Zeit!) entsprechend zu honorieren wird der Quartalsüberschuss entsprechend des jeweiligen Einsatzes verteilt. Und falls im Mittel Überstunden angefallen sind so ist auch ein Überschuss zu erwarten.

Zuletzt darf man - sofern einem an einer dauerhaften Arbeitsstelle gelegen ist - nie vergessen, dass jeder Euro an Gehalt auch zuvor erwirtschaftet werden muss. Sei es von einem selbst oder den Kollegen...


   
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zirkonfrank
Estimable Member
Beigetreten: Vor 12 Jahren
Beiträge: 179
 

Hallo Inlaystraße13,

wenn Kulanzen - also ohne Eigenverschulden - unentgeltlich wiederholt werden müssen, wird offensichtlich unternehmerisches Risiko auf den AN abgewälzt. Dies ist rechtlich äußerst problematisch und wäre höchstens mit einer außergewöhnlich hohen Umsatzbeteiligung denkbar. Ansonsten stellt sich möglicherweise sogar die Frage nach einer Sittenwidrigkeit. Die Arbeit und damit auch der Umsatz wurde erbracht - ob der Chef das Produkt bezahlt bekommt liegt nicht mehr in deinem Einflussbereich. Da unentgeltliche Wiederholungen, Nacharbeiten etc. wie bereits erwähnt sogar steuerlich geltend gemacht werden können dürfte dein Chef vor dem Arbeitsgericht extrem schlechte Karten haben...

Von der menschlichen Seite her ganz zuschweigen. J


   
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hyoideus
Honorable Member
Beigetreten: Vor 11 Jahren
Beiträge: 571
 

Sehr richtig, sehr fair, sehr gute Erklärung des steuerlichen Aspektes. Ich kann frank nur in jedem Wort zustimmen...außer, daß ich leider nie mit einem solchen Verttrag ausgestattet war Stirnrunzelnd.

"Was der Planetenlauf umkreist und was ihr Schimmer überglänzt, so weit sei Dir dein Ziel gegrenzt, das hast Du Macht, Dir zu erwerben." ( Parcival, Wolfram v. Eschenbach )


   
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